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Europa: Zahnloser Verbraucherschutz

Autorenbild: Dr. Peter KolbaDr. Peter Kolba

Verbraucherrechte sind das Eine, ihre Durchsetzung etwas ganz Anderes. Und so lange sich wesentliche Teile der Politik gegen die Umsetzung wirksamer Mechanismen wehren, wird den Verbraucher:innen am Ende nur das Butterbrot bleiben.

Ein Betrüger mit Kappe telefoniert und hat neben sich einen Stapel Geld liegen.
Justitia soll blind sein. Aber auch zahnlos?

Der Autokonzern Volkswagen (VW) hat mit der Abschaltung der Abgasreinigung bei seinem Motor EA189 Millionen von Kund:innen sowie die Behörden arglistig getäuscht.

Am Prüfstand wurden die Werte eingehalten, auf der Straße zum Teil um das 40ig-fache überschritten. Die Software erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befand oder auf der Straße im Einsatz war. Das wurde den Behörden verschwiegen.

 

Volkswagen kommt in Europa zu billig davon.

In den USA hat VW für 600.000 verkaufte Fahrzeuge an Strafen und Strafschadenersatz über 26 Milliarden Euro (!) bezahlt.

In Europa hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig – bei 8,3 Millionen betroffenen Fahrzeugen - eine Strafe von 1 Milliarde Euro über VW verhängt. Dazu kommen Prozesskosten und Zahlungen aufgrund von Urteilen oder Vergleichen mit Geschädigten. Doch man kann sagen: In Europa ist VW deutlich zu billig davongekommen.

Wir haben hier zwar gute inhaltliche Regelungen zum Verbraucherschutz, doch diese bleiben häufig – wegen Problemen bei der Rechtsdurchsetzung – nur auf Papier und werden nicht durchgesetzt.

Das Problem sind in Österreich insbesondere hohe Gerichtsgebühren und eine Honorierung von Anwält:innen nach dem Taxametersystem. Also, dass nach Zeit und Aufwand bezahlt wird.

Letzteres führt dazu, dass bewusste Verfahrensverschleppung dadurch profitabel wird.

Da die Unterlegenen zudem alle Kosten zahlen müssen, besteht auch bei kleinen Schadenersatzbeträgen ein hohes Kostenrisiko. 

"Hohe Gerichtsgebühren und Anwält:innen die nach Taxameterprinzip bezahlt werden, machen es für viele Menschen unmöglich zu ihrem Recht zu kommen"

 

Nur 25% verfügen über eine Rechtsschutzversicherung.

In Österreich haben rund 25% der Verbraucherinnen und Verbrauchereine Rechtsschutzversicherung. Dagegen kann die Unternehmensseite davon ausgehen, dass 75% der Verbraucher:innen sich einen Prozess weder leisten können noch wollen. Daher werden diese Geschädigten bei Massenschäden lediglich mit einem Butterbrot abgefunden oder deren Schadenersatzforderungen verjähren einfach.

Somit zahlen sich illegale Handlungen hierzulande aus. Den größten Teil des Gewinnes durch Rechtsbruch kann das Unternehmen behalten. Das animiert zur Wiederholung und macht Schule.

Nur wenn man den Unrechtsgewinn wirksam abschöpft, kann man Haltungsänderungen erzielen. Wie man nicht nur am Beispiel von Volkswagen in den USA sieht. Oder auch an der ersten Sammelklage, die ich im Jahr 2000, zusammen mit Rechtsanwalt Alexander Klauser und dem Prozessfinanzierer FORIS aus Deutschland, konstruiert und ins Leben gerufen habe.


"Rechtsbrecher:innen kommen in Europa billig davon. Rd. 75% der Verbraucher:innen können oder wollen sich keinen Prozess leisten. Bei Massenschäden werden sie daher mit einem Butterbrot abgefunden. Im besten Falle!"

Brechdurchfall: Epidemie all inclusive.

In einem All-Inclusive-Club in der Türkei gab es eine Brechdurchfall-Epidemie. Die Hälfte der Gäste war schlagartig erkrankt. Ein Reisemediziner stellte die möglichen Ursachen fest: Das Trinkwasser oder das Buffet war wohl ver-dorben. Der Reiseveranstalter bot nur Gutscheine für das nächste Jahr an. Der VKI ließ sich von 104 Geschädigten deren Schadenersatzansprüche gegen den Reiseveranstalter abtreten und klagte alle Ansprüche mit einer Klage ein. Die Sammelklage nach österreichischem Recht war geboren.

Das Verfahren wurde – nicht zuletzt aufgrund der wenig freundlichen Medienberichte – mit 70% der Forderungen verglichen.

Ein Jahr später: derselbe Club und dieselbe Epidemie. Wir sammelten erneut, doch nun wurde sofort bezahlt.

Kurz darauf teilte der Reiseveranstalter sogar mit, dass man nun die veraltete Wasserversorgungsanlage im Club saniert habe. Besser hätte es nicht laufen können.

 

Wirksames Tool für grenz-überschreitende Fälle fehlt.

Diese Sammelklage ist eine taugliche Krücke bei innerstaatlichen Massenschäden; grenzüberschreitend ist sie wenig wirksam. Die Europäische Union hat daher eine Richtlinie für Verbandsklagen (Sammelklagen) geschaffen, die bis 25.12.2022 (!) von Österreich hätte umgesetzt werden müssen.

 

Österreichische Bundesregierung säumig.

Doch die österreichische Bundesregierung hat bis heute (Redaktionsschluss) noch nicht einmal eine Regierungsvorlage zustande gebracht.

Zum Nachteil der Menschen im Land. Denn gutes Verbraucherrecht wird erst wirksam, wenn es mit leistbaren Mitteln auch gerichtlich durchgesetzt werden kann.

Bis dahin bleibt Verbraucherschutz in Europa weitgehend ein zahnloser Papiertiger.

 

Peter Kolba in seinem Büro
Jurist und VSV Gründer Peter Kolber

*Peter Kolba war 27 Jahre lang Leiter der Rechtsabteilung des Vereins für Konsumenteninformation (VKI), ist Gründer des Verbraucherschutzvereins (VSV) und seit seinem Pensionsantritt nun Autor und Konsulent des VSV.


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