Energieversorger haben in den Jahren 2022/23 die Grund- und Arbeitspreise stark erhöht. Der Verbraucherschutzverein (VSV) sieht viele dieser Energiepreiserhöhungen für unzulässig an. Zahlreiche Gerichtsurteile geben uns dabei Recht. Die finale Klärung steht noch bevor.

Auf dem Energiemarkt haben sich in den letzten beiden Jahren „Wild-West-Manieren“ etabliert, die der VSV mit einer Reihe von Musterprozessen und Pionierklagen zu bekämpfen sucht. Doch alles der Reihe nach.
Mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sind die Gaspreise an der Börse explodiert und durch ein hinterfragenswürdiges System namens ‚merit order‘ dann in Folge auch die Strompreise, wie wir alle gespürt haben.
Indexklauseln
Energielieferanten haben sogleich begonnen, ihre Strompreise anzuheben, wie auch der Verbund 2022 – gekoppelt an Indexwerte (Arbeitspreis: ÖSPI/ österr. Strompreisindex, Grundpreis: VPI/ Verbraucherpreisindex).
Als VSV sind wir hier mit Musterklagen dagegen vorgegangen, da es für uns nicht zu rechtfertigen ist, wie man günstigen Strom durch 100% Produktion aus erneuerbaren Energien (Wasserkraft) erzeugen kann, jedoch teure Börsepreise den Kund:innen verrechnen darf.
Mehrere Gerichte haben unsere Rechtsansicht bestätigt, wie auch das Handelsgericht Wien (HG Wien), wonach der ÖSPI ein errechneter Wert sei, der die konkreten Beschaffungskosten des Verbundes (100% Wasserkraft) nicht entsprechend berücksichtigen würde. Daher sei diese Preiserhöhung rechtswidrig.
Auch andere Verbrauchervereine sind gegen diese Art der Preiserhöhung eingeschritten – zuletzt unterlag der Verbund auch der VKI-Verbandsklage in 2. Instanz am Oberlandesgericht (OLG) Wien.
Wir bedauern jedoch, dass hier aufgrund eines Vergleiches keine höchstgerichtliche Entscheidung ermöglicht wurde – hätte doch ein für alle Mal Klarheit geschaffen werden können.
Gesetzliche Ermächtigung zur Preiserhöhung
Aufgrund der Schwierigkeiten der Preisbildung anhand von Indexwerten, gingen zahlreiche Energielieferanten dazu über, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) mit Verweis auf das entsprechende Gesetz (§80 Abs 2a ElWOG) jedoch ohne vertragliche Vereinbarung mit den Kund:innen auszugestalten.
Ohne Möglichkeit der Nachvollziehbarkeit für Kund:innen über die „maßgebenden Umstände der Preisänderung“, wurden die Preise nach ihren jeweiligen Unternehmensbedürfnissen angepasst.
Sie werden sich fragen, wie das sein darf, wo doch eine gewisse Zweiseitigkeit von Verträgen erforderlich ist? Sprich eine Nachvollziehbarkeit der Preisbildung gegeben sein muss, um als Kund:in auch wieder auf eine Senkung derselben bestehen zu können, sobald sich die maßgebenden Umstände ändern?
Und nein, das darf nicht sein! In einem Musterprozess des VSV hat das Handelsgericht (HG) Wien die Preiserhöhung des Verbundes aus 2023 auf Basis einer Wiedergabe des bloßen Gesetzestextes für unwirksam erklärt.
Die Parameter einer Preisänderung müssen bereits im Vertrag mit den Kund:innen vereinbart werden; ein Hinweis erst im Erhöhungsschreiben reicht demenstprechend nicht aus.
Auch hier ist es wiederum der Oberste Gerichtshof (OGH), der nun in dieser Frage finale Klärung schaffen wird müssen.
Stille Preiserhöhung
Ein weiteres Gusto-Stückerl der „Wild-West-Manieren“ am Energiemarkt betrifft die indexgebundenen Preissteigerungen der EVN um bis zu 500% seit Herbst 2022 für Strom wie auch Gas.
Für tausende betroffene Kund:innen wiegt diese besonders hart denn: Die EVN hat sie über die Erhöhungen nicht informiert und ihre mtl. Teilzahlungsbeträge nicht angepasst. Nun sind sie mit horrenden Nachzahlungen in den Jahresendabrechnungen - oft mehreren tausend Euro - konfrontiert, auf die sie nicht vorbereitet waren.
Für uns geht's hier ganz massiv um eine Frage der Gerechtigkeit. Einerseits Milliarden an Übergewinnen zu schreiben, andererseits teils enorme Preissteigerungen mit surrealen Börsenpreisen zu rechtfertigen. Das geht nicht zusammen. (Daniela Holzinger, VSV-Obfrau)
Auch wurde den Kund:innen damit ihr Recht auf Sonderkündigung samt Weiterbelieferung für bis zu drei Monate zum bestehenden, günstigeren Tarif verwehrt.
Ein Recht, dass allen Verbraucher:innen in Österreich zusteht, ohne entsprechendes Wissen um die erfolgte Erhöhung aber eben nicht in Anspruch genommen werden kann.
Nach einem abweisenden Urteil erster Instanz hat das Landesgericht (LG) Wiener Neustadt dieses Vorgehen für unrechtmäßig und die Erhöhungen für unwirksam erklärt.
Der unrichtigen Rechtsauffassung der EVN, die gesetzlichen Informationspflichten würden für ihre jährlichen indexgebundenen Preisanpassungen nicht gelten, wird vom LG Wr. Neustadt in aller Klarheit widersprochen.
Verstärkend tritt hinzu, dass EVN ihren Kund:innen im relevanten Zeitraum sogar vertraglich zusicherte, diese rechtzeitig vor einer Preiserhöhung zu informieren.
Das Urteil ist rechtskräftig. Was nun?
Als Verbraucherschutzverein ist es für uns zentral, den rechtlichen Boden durch Musterprozesse und Pionierklagen aufzubereiten.
Hier stehen wir nun und haben für viel Klarheit sorgen können.
Jetzt ist die Zeit der Sammelklagen nach österr. Recht gekommen und wir werden deshalb, vorerst gegen die Preiserhöhungen des Verbund aus 2022/2023, sowie auch die stillen Preiserhöhungen der EVN 2022/2023, umfassende Sammelklagen einbringen und dem OGH die finale Frage stellen: „Wilder Westen“ am Energiemarkt oder Schutz der Konsument:innen in unserem Land?
Trotz der geschilderten sehr positiven Urteile die wir bisher erreichen konnten, ist der Ausgang ungewiss. Denn wie sagt man so schön: Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand.Aber: Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren. Deshalb: Wir bleiben dran.

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