OGH: Haftung des Tourismusverbandes für Ischgl 2020
- Dr. Peter Kolba
- 5. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Mai
Der (in Deutschland wohnhafte) Kläger, der einen Skiurlaub 2020 in Ischgl (Tirol) gebucht hatte, erkundigte sich am 6.3.2020 telefonisch bei einem Mitarbeiter des beklagten Tourismusverbandes über die Corona-Lage vor Ort. Dabei wurde ihm versichert, dass alles in Ordnung sei und er unbesorgt anreisen könne. Es gebe aktuell keine bekannten positiven Fälle und keine Einschränkungen, es bestehe keine Infektionsgefahr, wobei sinngemäß auf eine Pressemitteilung des Landes Tirol vom 5.3.2020 verwiesen wurde. Aufgrund dieser Auskunft ging der Kläger davon aus, dass die inländische Einstufung des Tourismusorts als Risikogebiet eine Falschnachricht sei.

Am 7.3.2020 trat er – wie geplant – seinen Urlaub an. Während seines Aufenthalts fuhr er jeden Tag Ski und besuchte danach drei verschiedene Aprés-Ski-Lokale. Am Tag nach seiner Rückkehr am 11.3.2020 entwickelte er erste Symptome von COVID-19 und wurde noch am selben Tag positiv auf das Virus getestet.
Er begehrt Schadenersatz für die Folgen seiner Erkrankung, weil ihm der beklagte Tourismusverband wahrheitswidrig versichert habe, dass vor Ort keine Gefahr bestünde, worauf er vertraut habe. Bei korrekter Aufklärung wäre er nicht angereist und hätte sich auch nicht mit SARS-CoV-2 infiziert.
Die dem Kläger erteilte Auskunft ging – so der OGH - über den Inhalt der – „vorsichtig und vage formulierten“ – Pressemitteilung vom 5.3.2020 hinaus, weil der Mitarbeiter des Tourismusverbandes dem Kläger am Telefon versicherte, dass alles in Ordnung sei, er unbesorgt anreisen könne und keine Infektionsgefahr bestehe.
Diese Beschwichtigung, dass vor Ort keine Gefahr bestehe, ließ sich der Medienmitteilung aber gerade nicht entnehmen. Die Auskunft erweckte den unzutreffenden Eindruck einer völligen Gefahrlosigkeit am Urlaubsort und ließ damit die aufgrund der unklaren und unbeständigen Situation in der Anfangsphase der Pandemie gebotene Vorsicht und Zurückhaltung außer Acht. Das Verschulden des Mitarbeiters des Tourismusverbandes an der falschen Auskunft ergibt sich schon daraus, dass die Abschwächung der in der Medienmitteilung zum Ausdruck gebrachten Unsicherheiten auch nicht durch eine Weisung des Tourismusverbandes gedeckt war, an Gäste nur die Medieninformationen des Landes Tirol weiterzugeben.
Die Haftung des Tourismusverbandes kann aber noch nicht abschließend beurteilt werden, weil Feststellungen dazu fehlen, ob der Kläger bei korrekter Aufklärung über die mit der Pandemie verbundenen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten seinen Skiurlaub – wie behauptet – nicht angetreten hätte. Daher wurde das Verfahren wieder an die erste Instanz verwiesen.
(OGH 1 Ob 176/24z)
Die Medieninformation des Landes Tirol vom 5.3.2020 war falsch und legte – zwischen den Zeilen – genau das nahe, was der Mitarbeiter des Tourismusverbandes hier beauskunftet hat. Doch der OGH sah diesen Fehler des Landes Tirol nicht als ausreichend an, die Republik Österreich aus der Amtshaftung zu Schadenersatz an tausende Betroffene zu verurteilen.
In einem Musterfall hat der Anwalt des VSV daher Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erhoben. Doch bis heute wurde diese Beschwerde nicht behandelt.
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